Drei-Seen-Land 2025

Tag 2 – Kanalfahrt

Morgens liegen wir noch schlaftrunken im Bett, als die Wasserpumpe anläuft und nicht mehr stoppt. Sie gehört zum Frischwassersystem an Bord und sollte eigentlich ausschalten, wenn alle Wasserhähne geschlossen sind. Was sie sind. Ein Problem mit dem Druckschalter? Ich schalte die Sicherung aus und wieder ein und das Problem ist behoben.

Kurz darauf möchte sich Andrea einen Kaffee rauslassen. Unsere kleine Nespresso-Maschine läuft an, stellt aber sofort wieder ab. Ein Piepen im elektrischen System zeigt an, dass etwas nicht in Ordnung ist. Über den Batteriemonitor kann ich beobachten, wie die Leistung zusammenbricht. Wir starten den Generator und lösen damit das Problem vorübergehend die Batterien werden jetzt erstmal geladen. Trotzdem ungewöhnlich, weil diese uns mindestens drei Tage lang autark halten können müssten.

Nach einem Morgenbad ziehen wir den Anker hoch und nehmen Kurs nach Norden. Auf Höhe des Ortes Cudrefin legen wir nach rund einer Stunde Fahrt einen Stopp ein. Noch ist nicht viel Schiffsverkehr, sowohl die Wasseroberfläche als auch die Geräuschkulisse ist angenehm ruhig. So dümpeln wir gemütlich dahin und geniessen ein leckeres Frühstück aus Müsli, Brot, Käse, Salami und Hobelfleisch.

Ein weiteres erfrischendes Bad mitten im See – oder «a Hupferl» auf gut bayrisch – später starten wir die Maschine und legen Ruder für Kurs auf den Broyekanal.

Eigentlich verkehren wir hier auf einem gigantischen Hochwasserschutzgebiet. Die Gegend nordöstlich vom Neuenburgersee war früher ein einziges, hochwassergeplagtes Sumpfgebiet, welches die ärmste Gegend in der ganzen Schweiz ausmachte. Hungersnöte und Krankheiten zwangen die Gemeinden, Geld zu sammeln, um die ärmsten Familien im Dorf auf ein Schiff Richtung Amerika zu packen. Schuld war die Aare, die wegen des flachen Gefälles stark meanderte und das Land regelmässig überschwemmte. Mitte des 19 Jahrhunderts traten Ingenieure auf den Plan, die Aare in den Bielersee umzuleiten und die Flüsse zwischen den drei Seen grosszügig auszubaggern, um die Wassermassen gleichmässig aufnehmen zu können. Nach zwei Anläufen war es vollbracht. Das Hochwasser gebannt, das Land sehr fruchtbar – heute das zweitgrösstes Gemüse-Anbaugebiet der Schweiz – und wir können erst noch fröhlich darauf herumschippern. Wer mehr dazu wissen möchte, kann hier weiterlesen.

Der besagte Broyekanal verbindet den Neuenburgersee mit dem Murtensee. Auf 8 km führt die Route um die Hügelkette «Mont Vully» mit ihren Weinbergen herum. Die Strecke ist gesäumt von Bäumen und Büschen und führt durch Felder, Weiden und Wälder. Oft kann man Wildvögel beobachten, doch diesmal sind die einzigen Lebewesen die uns entgegenkommenden, fröhlich winkenden Freizeitkapitäne auf ihren Booten. Das sind manchmal auch wilde Vögel.

Ein paar verirrte Regentropfen versuchen uns einzuholen, doch sie haben keine Chance. Wir fahren der hinter uns aufziehenden Gewitterfront einfach davon. Bis wir den Murtensee erreichen. In seiner Länge etwa so gross wie der Neuenburgersee an seiner grössten Breite. Das Städtchen Murten liegt an seinem Ostufer und genau davor gehen wir gepflegt vor Anker. Die Sonne brennt und wir geniessen das eine oder andere Bad im kühlen Nass. Naja, meistens.

Die Batterien machen immer noch Probleme. Statt dolce far niente krieche ich mit einer Stirnlampe sowie Werkzeug bewaffnet in den Maschinenraum. Ingo steht mir mit Rat und Tat zur Seite. Wir sind uns einig, dass wir erstmal zwei von den vier Batterien abklemmen und eine Zeit lang prüfen, ob diese zwei zusammen ordentlich arbeiten oder nicht. Später werden wir die Sache umdrehen und dadurch hoffentlich eingrenzen können welche Batterie der Spielverderber ist.

Der Wind frischt von Norden her auf, die Wellen werden stärker. Wir entscheiden, an die nördliche Seite des Sees zu verholen, um für unser Abendessen ein gediegeneres Ambiente zu erwirken. Auf unserem Bordgrill bringen wir Ribeye Steaks, Pilze und Grillkäse auf Betriebstemperatur. Dazu werden Bratkartoffeln sowie griechischer Salat kredenzt und mit einem wohltemperierten Amarone del Valpolicella abgelöscht.

Die Sonne verschwindet hinter dem Mont Vully und es nachtet langsam ein. Wir sitzen noch gemütlich in der Dunkelheit, als sich ein Geräusch bemerkbar macht, als würden Regentropfen auf unser Zeltdach fallen. Weit gefehlt, es sind Eintagsfliegen, die in grosser Zahl, von unserem Ankerlicht angezogen, gegen unsere schwimmende Behausung anfliegen. Morgen werden wir ihre Leichen von allen Zeltwänden herunterwischen müssen.

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