Drei-Seen-Land 2025

Tag 14 – Neuchâtel

Die nächtlichen Regenfälle waren intensiv, aber unser Boot ist nach wie vor wasserdicht, von unten wie von oben. Nachteilig an der ganzen Sache ist der Umstand, dass die Temperaturen purzeln. Meine fünf Shorts im bordeigenen Kleiderschrank habe ich wohl für umsonst mitgenommen. Dafür mangelt es nicht an Ausreden, länger im Bett liegen zu bleiben und Stories für den Blog zu schreiben. Noch immer ist mein Rückstand gross.

Der guten Ordnung halber wechseln wir später vom Bett in die gemütliche Stube. Wer kennt nicht das heimelige Gefühl, drinnen zu sitzen, während draussen der Regen fällt? Eben.

Ich mache noch einen Abstecher in den Maschinenraum. Habe ich doch noch soeben völlig leichtsinnig behauptet, unser Schiff wäre dicht und dabei den gestrigen Wassereintritt in unsere Bilge vergessen. Das verbrecherische Teil ist schnell abgeschraubt und inspiziert. Laut Dokumentation des Herstellers ist dieser Belüfter gelegentlich zu warten, indem man ihn aufschraubt, die Innereien unter fliessendem Wasser reinigt, mit Teflonspray besprüht und wieder zusammenschraubt. Nichts leichter als das. Nach einer Dichtigkeits- und Vakuumkontrolle ist das gute Stück wieder einsatzbereit.

Zeit für Mittagessen, Zeit für das «berühmte Fondue» von Auvernier. Die gestern erworbene Mischung ist vollständig und erfordert nur die Zugabe von 2 dl Weisswein. Lydia hilft noch etwas mit Knoblauchstücken sowie Kirschwasser nach und lässt die Mischung auf dem Herd langsam cremig werden. 10 Minuten später können wir uns davon überzeugen: dieses Fondue ist erstklassig und darf seinen rühmlichen Titel zu Recht weiterhin behalten. Auf dass wir es jetzt noch ein kleines bisschen berühmter gemacht haben.

Wir nutzen ein regenfreies Zeitfenster für einen kleinen Ausflug in die Kantons-Hauptstadt. Eine Tram namens «Littorail» fährt in direkter Nachbarschaft zum Hafengelände nach Neuchâtel. Allerdings mit Hindernissen. Auf halber Strecke bleibt die Karre an einer Station länger stehen als notwendig. Irgendwann tritt der Schofför aus seinem Kabuff und erklärt, dass alle aussteigen sollen. Wenige Minuten später fährt eine zweite Tram auf dem Geleise daneben ein, in die wir einsteigen.

Weiter geht’s, aber nur bis zur vorletzten Haltestelle, wo die Bahn wieder keine Anstalten macht, weiterzufahren. Statt dessen warten verdächtig viele Leute darauf, einsteigen zu können. Unser Sitznachbar gibt uns zu verstehen, dass wir aussteigen müssen. Draussen stehen Angestellte der städtischen Verkehrsbetriebe in orangen Westen herum. Wir wollen das letzte Stück an der Seepromenade entlang spazieren. Dort versucht uns eine Angestellte mit 2000 französischen Wörtern pro Minute zu erklären, dass das nicht geht und wir ihrer Kollegin entlang der Hauptstrasse folgen sollen, Wir versuchen ihr scherzhaft und in gebrochenem Französisch zu verstehen zu geben, dass wir als Touristen das dringende Bedürfnis haben, so viel Zeit wie möglich in See-Nähe zu verbringen. 2000 Worte später wissen wir definitiv, dass das eben nicht geht. Aus Gründen.

Besagte Kollegin und Westenträgerin marschiert also voraus. Wir und einige andere Fahrgäste hinterher. Müssen wir Zweierkolonnen bilden und uns an den Händen halten? Wir wissen es nicht. Allerdings ist zu sehen, dass da vorne an der Endstation viele Fahrzeuge mit blitzenden Lichtern herumstehen. Bald kommen Absperrbänder in Sicht. Ein grosses Aufgebot der Feuerwehr und der Polizei ist überall präsent. Autos werden umgeleitet. Ein kapitaler Unfall? Wir kümmern uns nicht weiter drum. Unser Leitmädchen biegt nach links ab, wir gehen geradeaus weiter in Richtung Innenstadt. Auf der Place Du Marché setzen wir uns an einen Ecktisch der Prestige Bar und ordern 2 Piña Colada sowie eine Vegiplatte aus Frühlingsrollen, Samoussas, fritierten Zwiebelringen, Mozzarella-Sticks sowie knusprigen Süsskartoffel-Fritten. Bei Schlürf und Mampf bewundern wir das Strassenbild.

Neuchâtel hat ein besonderes Flair. Durch den hohen Einwandereranteil sind hier viele Kulturen der Welt zuhause. Ausserdem beherbergt Neuchâtel mehrere Universitäten und Fachhochschulen, die für ein junges Publikum in den Strassen sorgen. Entsprechend abwechslungsreich und jugendlich ist das Angebot an Waren und Dienstleistungen, seien es Restaurants, Bars, Boutiquen, Feinkostläden, Coiffeursalons oder Tattoostudios. Bei einem der Letzteren steht auf einer handgeschriebenen Tafel: «Ob Du jetzt sofort ein Tattoo machen lässt oder erst später, Deine Mama wird so oder so enttäuscht von Dir sein». In den Gassen herrscht eine lässige Stimmung und trägt zum Urlaubsfeeling bei. Wir kommen immer wieder gerne hierher.

Sehenswert sind auch das Schloss und die Kirche hoch oben auf dem Hügel. Für unseren heutigen Besuch sparen wir uns das aber. Der Rückweg führt uns am Hafen «Beau Rivage» mit seinen Kursschiffen vorbei, dann der Seepromenade entlang in Richtung der Place Pury, wo wir die Littorail für die Rückfahrt nach Auvernier besteigen wollen.

Weit gefehlt, kurz vor dem Platz ist auch hier Absperrband gespannt. Die meisten Einsatzfahrzeuge sind abgezogen, aber es stehen immer noch Sicherheitskräfte an verschiedenen Strassen und Unterführungen Wache. Wir werden wohl wieder den gleichen Weg zurück zur übernächsten Station gehen müssen. Dort fährt bei unserer Ankunft auch schon die nächste Bahn ein und schon bald können wir unsere Rückreise antreten. Während der Fahrt fällt uns auf, dass niemand ausser uns auf den See hinausgötzt. Es ist wie überall, nichts ist uninteressanter als das, was tagtäglich vor unserer Nase liegt.

Später erfahren wir, dass in der Tiefgarage unter der Place Pury ein Fahrzeug in Brand geraten ist. Es wird extra und in Kursivschrift darauf hingewiesen, dass es sich um kein Elektrofahrzeug gehandelt habe. Also ein Verbrenner, im wahrsten Sinne des Wortes. Das Feuer konnte zwar schnell gelöscht werden, aber wegen der Gefahr einer beeinträchtigten Statik dürfen weder Autos noch die Littorail diesen Bereich überfahren, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind. Von der Tramstation zum Schiff spazieren wir durch eine kleinen Teil des Parks von Auvernier, der sich über 1.5 km am See entlang ausdehnt.

Nur wenige Minuten, bevor wir unsere Eisensau erreichen, setzt Regen ein und wir müssen tatsächlich auf die letzten Schritte noch unsere mitgeführten Schirme hervorkramen. Es ist 18:30 Uhr. Wir sind sehr müde. Durch den Apéro in der Prestige Bar sind wir auch nicht besonders hungrig. Wir liegen ein wenig auf dem Achterschiff herum und hören dem Regen zu. Ich montiere noch das Belüfterventil an seinen angestammten Platz im Maschinenraum und gönne mir eine Dusche. Danach gehen wir früh zu Bett.

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