Drei-Seen-Land 2025

Tag 15 – Creux du Van

Eine Seefahrt ist zwar lustig, aber nur bei Sonne und – in unserem Fall – wenig Wind schön. Dieser Morgen kann uns bisher weder das Eine noch das Andere bieten. Der Himmel ist bewölkt und ein fieser, kühler Wind von Südwesten zieht durch alle Klamotten bis auf die nackte Haut. Es soll aber im Tagesverlauf Aufhellungen mit sonnigen Abschnitten und 21° geben. Nicht unbedingt Bedingungen, um in absolute Begeisterungsstürme auszubrechen, aber das ist eh nur eine Frage der Kleidung und der Organisation.

Deshalb werden wir heute eine kleine Bergwanderung auf dem 1435m hohen Le Soliat unternehmen. Man beachte den Dativ, wir werden nicht etwa auf diesen Berg hochkraxeln – seid Ihr verrückt?! – sondern oben drauf herumwandern. Die Distanz zwischen unserem Liegeplatz und dem Berggipfel überbrücken wir auf andere Weise. Ausserdem ist nicht der Aufstieg interessant, sondern das, was oben auf dem Hochplateau zu sehen ist.

Wir packen also unseren Rucksack mit ein paar bergfesten Klamotten und ziehen uns wärmer als für die Jahreszeit üblich an. Lydia ist vernünftiger als ich und nimmt zusätzlich ihre hochseetaugliche Segeljacke mit. Für die Hinreise buchen wir einen Uber.

Unser Schofför ist ein bärtiger Rocker, der an jedem Finger einen fetten Ring trägt und auf den Namen Sébastien horcht. Er fährt ein ganz offizielles Taxi, welches offenbar auch Aufträge via Uber entgegennimmt. Dem Zustand seines Fahrzeugs nach zu urteilen, wohnt er darin. Nach der Begrüssung und Verladung unseres Gepäcks geht es los, auf Sébastien’s ganz persönlichen Highway to Hell. Zunächst ganz harmlos über die Autobahn. Von Weitem ist schon das von uns angesteuerte Ziel sichtbar, allerdings von einer bedrohlich schwarzen Wolke umrahmt. Wir verlassen die Autobahn in Richtung Bergstrasse. Mit steigender Höhe wird der Weg immer ruppiger. Grosse Schlaglöcher tun sich auf, die unseren Fahrer zu einer gemässigteren Fahrt zwingen. Obendrauf beschlagen alle Scheiben, da offenbar die Belüftung nicht mehr funktioniert. Mit offenen Scheiben geht die Fahrt weiter. Unterwegs überquert ein Rehbock die Strasse. Ein kurzes Stück lang fahren wir durch die zuvor gesichtete Wolke, die aber nur an der Ostseite des Berges anhaftet. Wir fahren nach Südwesten, bis wir unser Ziel, den Parkplatz des Bergrestaurants Le Soliat, erreichen. Feierlich übergibt uns Sébastien unser Gepäck und wir spendieren ihm ein Trinkgeld als Anzahlung für eine Reparatur der Lüftung.

Es ist zugig hier oben und es herrschen gerade mal 9° Aussentemperatur. Wir setzen uns zuerst einmal auf ein Getränk hin. Die Wolken werden vom Wind schnell vorangetrieben. Zwischendurch reissen sie auseinander und gönnen der Sonne Platz, auf das sie wohltuend auf uns herniederscheint. Trotzdem ist der Wind stärker und wir ziehen alle Klamotten an, die wir mitgebracht haben, inklusive Hals- und Kopftücher für um die Rübe herum.

Dann Aufbruch, wir marschieren ein paar hundert Meter nach Norden und kommen direkt an’s Ziel unseres Ausflugs, dem Felsenkessel Creux du Van. Der etwa 1 km durchmessende Halbbogen aus 200 Meter hohen, steil abfallenden Felswänden ist durch Erosion und Gletscherbewegung in der letzten Eiszeit entstanden und ist ein beliebter Ausflugsort. Auch heute sind zahlreiche Besucher unterwegs, obwohl erst Freitag ist.

Darunter führt ein Tal nach Nordosten in Richtung Neuenburger- und Bielersee. Auch der Chaumont, auf dem wir vor ein paar Tagen waren, ist zu erkennen. Die Sicht ist erfreulicherweise gut, da die Wolken ein Stück höher dahingleiten. Wir wandern an den Steilwänden entlang nach oben zur Gipfelhöhe. An mehreren Stellen können wir ganz dicht an den Abgrund treten und Fotos aufnehmen. Nichts für Menschen mit Höhenangst. Also wie meiner einer zum Beispiel. Trotzdem gelingen uns ein paar hübsche Aufnahmen. Wir verweilen rund 2 Stunden in der Umgebung, bevor wir uns an den Abstieg machen.

Und auch diesen werden wir nicht zu Fuss unternehmen. Dafür haben wir unsere eScooter mitgebracht und beim Restaurant zurückgelassen. Der grösste Teil der Strasse ist asphaltiert und um die Schlaglöcher herum können wir mit unseren 2 Rädern besser manövrieren als mit 4. Die Strecke zieht sich über 20 km hin und überwindet 1000 Höhenmeter mit einem mehr oder weniger gleichmässigen Gefälle. Nur bei den gelegentlichen Weiderosten müssen wir absteigen, um nicht zirkusreife Überschläge zu fabrizieren. So geht es vorbei an Feldern, Weiden und Wäldern, an putzigen Ferienhäuschen und an allerlei Getier wie Kühen, Esel und Pferden. Dazwischen findet sich immer wieder ein Aussichtspunkt über den Neuenburgersee.

Mit tieferen Lagen wird es auch immer wärmer. Trotzdem pfeift auch hier immer noch der eisige Wind. In der Auberge du Plan-Jacot kehren wir für ein warmes Getränk und eine Wurstplatte ein.

Irgendwann erreichen wir urbanes Gebiet mit gut ausgebauten Fahrradwegen, die an Weinbergen und hübschen Villen vorbeiführen. Im Dorf Boudry halten wir bei Coop, um ein Brot für morgen zu kaufen. Ich bin auf dem Weg zur Kasse, als der Typ 10m vor mir ohne zu bezahlen zum Ausgang rausläuft. Der Kassierer ist fassungslos, ruft sofort seine Kollegen zusammen, die hinterherrennen. Ob sie ihn erwischt haben, weiss ich nicht. Solche Szenen sollen hier aber laut Aussage des Kassierers öfters mal passieren.

Auf der letzten Etappe machen wir in Colombier nochmal einen kleinen Abstecher zum See und entdecken das Restaurant Robinson direkt am Strand, welches wir noch nie zuvor gesehen haben, obwohl wir öfter schon per Schiff vorne durchgeschippert sind. Der Spot ist schon mal bei uns für eine nächste Gelegenheit abgespeichert.

Etwas müde erreichen wir unseren Dampfer. Bei einem Ricard und einem Rosé chillen wir auf dem Achterdeck. Danach gönnen wir uns eine wellnessverdächtige, belebende Dusche, ziehen uns ausgehfein an und gehen die paar Schritte ins benachbarte Restaurant Le Croquignolet – zu Deutsch «Das Niedliche» – wo für uns ein Tisch am Fenster reserviert ist. Der Name ist Programm, der Gastraum umfasst nur etwa 8 Tische. Bei warmer Witterung gibt es draussen das x-fache an Sitzplätzen, aber da der Sommer bekanntlich vorbei ist, sind diese Plätze nicht besetzt. Wir geniessen den Ausblick auf den See von der guten Stube aus.

Serviert werden kreolische Spezialitäten. Wir starten mit 2 Caipirinhas, steigern uns zu einem angebratenen Thunfisch-Carpaccio, erhöhen auf niedergegarte Hähnchenkeulen mit Salat und Fritten und schliessen mit einer gebratenen Ananas an karamelisierter Salzbutter mit Vanilleeis ab. Dazu ein köstlicher Neuenburger Gamaret-Garanoir-Assemblage aus dem Barrique. Die Bedienung ist sehr charmant und das Essen ein Traum. Wir fühlen uns rundherum wohl.

Mit einem kleinen Verdauungsspaziergang kehren wir zum Schiff zurück. Wir haben den restlichen Wein vom Restaurant mitgenommen und lassen mit seiner Hilfe den Abend auf dem Achterschiff ausklingen, bevor wir mit der Nachtruhe den heutigen Tag beschliessen.

Hinterlasse eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert