Panama 2024

Zwischen Karibik und Pazifik

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    Tag 10 – Holprige Reise ins Paradies

    Jeden Tag ausschlafen ist voll langweilig. Die heutige Geschichte beginnt deshalb morgens um 4:30 Uhr mit einem klingelnden Wecker. In Europa ist schon Brunchzeit, doch hier herrscht noch schwarze Dunkelheit.

    Abreisetag. Wie schon erwähnt, 1 Reisetasche bleibt hier. In die andere packen wir leichte Kleidung und Badesachen, denn da, wo wir hinreisen, sind die Wetteraussichten äusserst freundlich. Dazu kommen noch unsere Rucksäcke, die hauptsächlich mit Lebensmitteln bepackt sind.

    Vor der Tür steht ein geländegängiges Fahrzeug. Unser Gepäck wird verladen. Wir rutschen auf die Rücksitze. Mit Fahrer Francisco sowie einer uns nicht näher bekannt gemachten Dame unternehmen auch Elaine und Andrew aus Vancouver Island / Kanada die vor uns stehende Reise. Es geht nach San Blas im Kuna Yala Gebiet. Die Kunas sind ein indigenes Volk, die ihr Gebiet noch selbst verwalten und hauptsächlich vom Tourismus leben.

    Die Fahrt dauert über 3 Stunden und wir unterhalten uns angeregt mit unseren kanadischen Mitreisenden. So lernen wir vieles über Kanada im Allgemeinen und Vancouver Island im Besonderen kennen. Einmal mehr kriegen wir einen Eindruck von den Dimensionen der Welt im Vergleich zu unserem kleinen Heimatländchen präsentiert. Wir werden jedenfalls den Besuch der Insel auf unsere Todo-Liste setzen.

    Francisco lässt uns an einer Tankstelle die Beine vertreten, bevor es in den Busch geht. Die Strasse folgt einfach dem Gelände, was gelegentlich einer Achterbahnfahrt gleichkommt. Noch vor wenigen Jahren war das eine schlaglochgespickte Schotterpiste. Nachdem aber so mancher Touri mit grünem Gesicht abgeliefert und das Verkehrsaufkommen immer grösser wurde, hat man der Strecke einen dicken Teerbelag spendiert.

    Es herrscht Stau vor dem Kuna Yala Kontrollpunkt. Unser Einreisegeld von USD 23 pro Nase wird fällig. Die Pässe werden auf den Einreisestempel von Panama kontrolliert. Dann geht die kurvenreiche Reise nochmal gute 45 Minuten weiter, bis wir einen Platz an der Küste erreichen. Wir laden unser Gepäck aus und warten, bis wir aufgerufen werden. Ein Kuna lädt unser Gepäck auf eine Schubkarre. Wir folgen ihm auf einen Bootssteg, wo wir zusammen mit gut 12 anderen Gästen unser Wassertaxi besteigen. Gepäckstücke werden im Bug verladen und mit Plastikplanen zugedeckt.

    40 km in einer rasenden Plastikwanne… das kann dauern

    Der Bootsführer reisst die  beiden 2-Takt Aussenbordmotoren an und nimmt langsam Fahrt gegen die aufgewühlte See auf. Ich ermittle via Google Maps unsere Position sowie die Lage unseres Ziels – über 40km Distanz, das wird eine Weile dauern! So brettern wir über die schaumigen Wellenkämme dahin. Die Motoren sind laut und es regnet gelegentlich ein Schwall Gischt herein.

    Nach einem Tankstopp und weiteren 30 Minuten Fahrt erreichen wir einen Ankerplatz, wo gut 20 Yachten liegen. Zwei davon werden angesteuert, Gäste steigen aus, Gepäck wird herübergereicht. Weiter geht’s. Nach nochmal 20 Minuten der nächste Ankerplatz. Elaine und Andrew steigen um. Wir wünschen einander eine gute Zeit. Unser Taxi dreht nochmal kurz auf… und dann liegt sie vor uns, 46 stolze Füsse lang, elegant und wunderschön.

    «Easy One» heisst unsere Unterkunft für die kommenden Tage, ein Segelschiff aus dem Hause Bavaria. Das Eignerpaar Ingo und Andrea empfangen uns mit breitem Grinsen. Wir fühlen uns schon jetzt wie zuhause. Nach einer herzlichen Begrüssung werden wir mit Schampus und einer reichhaltigen, leckeren Mahlzeit verwöhnt.

    Endlich dürfen wir unsere diversen Mitbringsel feierlich überreichen. Allerlei Backzutaten, Schokolade, Kren, Käse. Was macht denn diese Dose Backpulver im Gepäck? Egal, die bleibt auch hier.

    Nachdem wir unsere Siebensachen in den Schränken verstaut haben, geben wir uns ganz dem Bordleben hin. Fortsetzung folgt.

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    Tag 11 – wooooooow!!!

    Das Blog schreiben fällt mir derzeit aus unterschiedlichen Gründen schwer. Zunächst einmal gingen uns am Tag 10 aus vielleicht nachvollziehbaren Gründen ziemlich schnell die Lichter aus. Dann, mal ehrlich, wer möchte dauernd auf sein Handy glotzen, wenn sich so ein Anblick anbietet?

    Ausserdem sind da Andrea und Ingo, die dem ganzen Paradies noch ihren höchstpersönlichen Schlaraffenland-Stempel aufdrücken. Nach einem morgendlichen Bad im glasklaren Wasser sitzen wir da, lassen uns von der Umgebung bezaubern, denken uns nichts Böses – zack, steht ein leckerer Limonencake auf dem Tisch. Dann haben die beiden jede Menge Spannendes aus ihrem aussergewöhnlichen Leben zu erzählen.

    Seit über 6 Jahren besegeln sie auf ihrer Easy One die Welt. Und das ausgesprochen entspannt. Das Ziel ist nicht, den Rekord im Meilen fressen zu brechen, sondern ihrem Leben Zeit für die schönen Dinge zu verschaffen. Ihr schwimmendes Zuhause halten sie liebevoll im Schuss, schliesslich bringt es sie an die schönsten Orte dieser Welt, wo es sich den ganzen Tag in Badekleidung komfortabel aushalten lässt. Dazu kommt eine starke Freundschaft mit zahlreichen anderen Cruisern, die auf den unterschiedlichsten Gefährten den gleichen Lebensstil teilen. Man begegnet sich vielleicht mal im Mittelmeer, im Hafen, in einer Bucht, in einer Strandbar. Jahre später trifft man sich wieder in der Karibik, verbringt Zeit miteinander und hilft sich gegenseitig mit Ausrüstung, Reparaturen und Gaumenfreuden aus.

    Den Kontakt zu ihnen haben wir über einen Amerikaner erhalten, der uns in unserem Karibikurlaub mit unserem Dinghi geholfen hatte. Er kannte ein deutsches Seglerpaar welches wiederum Andrea und Ingo kannten. So kam eines zum anderen und jetzt dürfen wir für einen winzigen Zeitraum an ihrem Abenteuer teilhaben.

    Wir liegen vor Green Island. An einem kleinen Riff gleich neben unserem Ankerplatz unternehme ich eine erste bescheidene Schnorchelrunde. Andrea verzaubert uns danach mit ihren Kochkünsten. Etwas später schippern wir per Beiboot auf die Kleinstinsel Waisaladub, einem Sandhaufen mit Palmen und Feuerstelle drauf. Weicher weisser Sand und klares Wasser umschmeicheln unsere Füsse und unser Gemüt. Eine kleine Schnorcheltour um die halbe Insel führt uns in ein wahres Aquarium voller Fische, Korallen und Seeanemonen.

    Danach machen wir einen Abstecher auf Green Island für einen Rundgang in Robinson-Crusoe-Manier. Nicht alles ist gülden in diesem Teil der Welt. Von der offenen Seeseite her wird allerlei Plastik angeschwemmt. Unsere Gastgeber haben schon mehrfach Strandsäuberungen an den unterschiedlichsten Orten durchgeführt. Ein Tropfen auf den glühenden Vulkan, alleine von der Anzahl der gefundenen Badelatschen her könnten sie einen Schuhladen aufmachen.

    Dann wieder Verwöhnzeit auf dem Schlaraffenland-Express. Ingo serviert Gin Tonic für den Sundowner auf dem Vorschiff. Die Stimmung ist einmalig schön. Dann wieder lecker Abendbrot, gekrönt von einer weiteren Spezialität des Hauses, einem Rumlikör mit panamesischen Kakaobohnen, aus denen Andrea Schokolade gezaubert hat. Das köstliche Ergebnis ist in der hiesigen Cruiserszene als «Liquid Sex» bekannt. Wer Bescheid weiss, wird uns jetzt um diesen Augenblick beneiden.

    Auch heute schlüpfen wir früh mit einer zufriedenen Müdigkeit in unsere Koje.

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    Tag 12 – Banedup

    Gleich nach dem Aufwachen springen wir erstmal ins glasklare Wasser. Die Stimmung ist friedlich, es weht ein moderater Wind und in der Ferne segeln zwei Kuna auf einem Einbaum dahin. Jetzt eine Banane vom bordeigenen Bananenstrauch und ein Kaffee. Bald darauf tischt Andrea wieder diverse Platten voller Leckereien auf. Gemütlichkeit pur. Tun wir was dagegen.

    Unser Ziel ist heute ein Riff bei der Insel Banedup zu erreichen. Hier liegt alles um die Ecke, die Fahrt wird also maximal 2 Stunden dauern. Ich darf alle Manöver fahren. Ingo zeigt mir die Navigation auf seinem Tablet. Andrea bedient die Ankerwinsch. Schon bald ist der Anker frei, wir biegen rechtsrum ab (oder über Steuerbord im Seglerlatein) und umfahren die örtlichen Untiefen in einem grossen Bogen gen Norden. Noch hat mir Ingo das Steuer nicht energisch entrissen, also alles gut.

    Die Navigationsapp zeigt auf unserer Route grosse Flächen in grün an. Abgesehen von 2 kleinen Inselchen ist aber weit und breit keine Landmasse in adäquater Grösse zu sehen. Auf den ersten paar Metern schon verfahren, stramme Leistung. Nein, grün steht für Riffs, gelb für Landmasse, also alles gut. San Blas ist ein Archipel, bestehend aus 365 Inseln. Die Riffs dazwischen und rundherum brechen die Wellen und schützen so die Inseln vor Erosion.

    Zum Segeln ist unser Kurs grade ungünstig, darum beschliessen wir eine kleine Kurskorrektur. Ein bescheidener Umweg, dafür ohne Motorengebrumm und mit der richtigen Portion Cruiserfeeling für uns Süsswassermatrosen. Wir kommen aus der Abdeckung der Riffs heraus, die Wellen werden höher und tragen zum Original Segelabenteuer bei.

    Zwischen zwei Inseln drehen wir bei und fahren unter Motor mitten durch. Ingo weist mich auf die Riffs hin, mit der Bitte, sein Boot vielleicht nicht grade da drauf zu fahren. 10 Minuten später liegt der Anker auf Grund, der Logbucheintrag ist geschrieben und wir feiern eine Runde hoch die Tassen auf die erfolgreiche Überfahrt.

    Wir befinden uns inmitten traumhafter Inselchen. Draussen donnert die Brandung des Atlantiks gegen das umlaufende Riff. Die Gegend wird «der Pool» genannt, denn hier ist das Wasser ruhig, warm & klar.  Baden ist heute aber nicht so ohne Weiteres möglich, weil gegen die starke Strömung unmöglich anzuschwimmen ist. Ingo fährt uns mit dem Dinghi zum Korallenriff für einen Drift-Schnorchelgang. Dabei lässt man sich von der Strömung durch das Riff treiben und kann so entspannt die Unterwasserwelt an sich vorbeiziehen lassen. Theoretisch, die heutige Strömung beschleunigt die Sache auf Autobahntempo. Venga venga wider Willen.

    Ansonsten geniessen wir hier einfach Wind, Wasser, Wellen und die einmalige Inselwelt mit ihren weissen, mit Palmen bewachsenen Traumstränden. Abends kehren wir bei Ibin’s Restaurant auf Banedup ein und lernen andere Cruiser mit ihren Gästen kennen.

    Es ist stockfinstere Nacht als wir am Sandstrand das Dinghi ins Wasser ziehen. Ingo leuchtet die Szene mit seiner Stirnlampe aus, als er plötzlich aus dem knöcheltiefen Wasser springt. Schlange! Die Kuna eilen herbei und bescheinigen dem Getier, das sich durchs seichte Wasser schlängelt, eine gewisse Gefährlichkeit. Schon bald aber hat sie sich entfernt und wir können zu unserer schwimmenden Bleibe tuckern.

    Beim gemütlichen Abzwacker hören wir ringsherum Platschgeräusche. Fische springen in der Dunkelheit aus dem Wasser. Ingo und Andrea versuchen für das morgige zNacht ihr Anglerglück. Leider ohne Erfolg. Bis morgen.

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    Tag 13 – Inseln und Riffs

    Gut ausgeschlafen beginnt der Tag – natürlich – mit einem Sprung ins kühle Nass. Die Strömung hat deutlich abgenommen. Andrea fährt zum Einkaufen. Hier bedeutet das, aufs SUP aufsteigen und zu Ibin paddeln, der mit frisch gebackenem Kokosbrot aufwartet.

    Andrea möchte bei ihm Fisch kaufen, aber er hat nichts. Die Fischer seien seit Silvester am Dauerfeiern und offenbar zu angenüchtert, um ihrer Arbeit nachzugehen.

    Zum Frühstück verzehren wir eben erwähntes Kokosbrot mit allerlei Aufstrichen, unter Anderem eine Nutella-artige Pistaziencrème sowie ein weiteres Zauberkunststück aus Andrea’s Bordküche: Hibiskusblüten-Konfitüre.

    Danach versuchen wir uns erneut in einer Runde Drift-Schnorcheln. Ingo fährt uns mit dem Dinghi zum Riff. Die Strömung ist perfekt und wir können die bunte Unterwasserwelt geniessen. Das Highlight ist ein Ammenhai, der sich unter einem Fels versteckt hält. Ingo taucht hinunter und kneift ihn in die Heckflosse. Das gut 1.5m lange Tier verlässt sein Versteck und gleitet majestätisch unter mir durch. Leider habe ich keine Kamera dabei.

    Die Strömung zieht uns gemächlich durch den Pool. Ein kleines Fischchen schwimmt um mich herum und es scheint, als sucht es den Eingang in meine Basehose. Frecher Lümmel, such Dir einen anderen Kameraden zum spielen!

    Als wir beim Boot ankommen, bemerkt Ingo, dass ich den Fisch wohl mitgebracht habe. Tatsächlich, er schwimmt immer noch zwischen meinen Beinen rum. Ingo erklärt, dass sie früher welche von dieser Sorte wie Haustiere ums Boot hatten. Wenn man ins Wasser stieg, kamen die Fische und stubsten einen an.

    Ein gemütliches Mittagessen später sind wir reif für die Insel. Per Dinghi geht es um den Pool herum auf eine kleine Insel hinter Banedup. Wir landen am Sandstrand an. Fröhliche Kuna Kinder springen auf uns zu und begrüssen uns herzlich. Viele Inseln sind bewohnt und so auch diese. Es herrscht eine freundliche Athmosphäre zwischen den Einheimischen und den Seglern. Man begrüsst sich, stellt sich vor, kleiner Smalltalk in spanischen Brocken.

    Wir kriegen Ergebnisse ihrer Handwerkskunst gezeigt. Molas heissen die handgewobenen und bestickten Stoffe mit allerlei Motiven. Ausserdem gibt es Arm- und Knöchelbändchen, Ohrhänger und Broschen. Selbstverständlich sind alle käuflich zu erwerben. Lydia erfreut sich an einer Halskette. Ausserdem bekommt sie Arm- und Knöchelbändchen umgebunden.

    Banedup liegt gegenüber, ein Dinghi-Hopser später sind wir da. Junge Weisse spielen Volleyball am Strand. Sie sind Backpacker auf einem grossen Dreimaster, der sie in einer 5tägigen Reise von Kolumbien nach… habe ich vergessen bringt. In San Blas machen sie Halt für Sun, Fun and nothing to do. Wir spazieren am Strand entlang und machen Fotosession. Später kommen wir wieder bei Ibin’s Restaurant vorbei. Überraschung, seine Jungs haben frischen Fisch und Lobster herbeigeschafft. Andrea lässt sich 2 Fische herrichten und einpacken. Wir setzen uns in die Wasserbar – Tisch und Bänke sind auf Stützen im knietiefen Wasser aufgebaut – und geniessen eine Cerveza. Ich habe später die Gelegenheit, ganz Gentleman zu sein und Lydia durchs Wasser zum Strand zu tragen.

    Zurück auf dem Schiff kredenzt uns Andrea den Fisch mit Spaghetti. Ein paar Gläser Rotwein und spannende Gespräche später sind wir wieder bestens zur Nachtruhe präpariert.

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    Tag 14 – Cambombia

    Bevor hier die totale Langeweile ausbricht, wechseln wir doch lieber schnell das Revier. Es steht eine lustige Schlangenfahrt um Riffs und Inseln an, gute 8.5 Seemeilen weit. Natürlich wieder bei besten Konditionen – allerdings heute ohne segelbaren Wind. Ich darf wieder den Tagesskipper mimen. Ingo macht die Route auf dem Tablet klar und los geht’s. Anker ist hoch, die Easy One gehorcht von nun an meinen Händen.

    Zunächst einmal zwischen den Riffs und den Inseln hindurch, dann stramm gegen Süden. Ingo macht mich gelegentlich auf untiefe Stellen aufmerksam. Es ist halt nicht ganz das Gleiche wie durch den Neuenburgersee flegeln. Alles geht gut, auch diesmal habe ich keinen Flurschaden angerichtet.

    Alkohol bei der Überfahrt trinken ist verpönt. Andrea greift zu ihrer Geheimwaffe, ein weinähnliches Getränk aus ihrer Traummanufaktur, gebraut aus frischen Hibiskusblüten. Natürlich ganz ohne Güx, erfrischend und lecker.

    Das Ankerfeld wird von einer Kante von maximal 3m Tiefe begrenzt, die vorzugsweise im Standgas zu überqueren ist, nur für den Fall des Falles. Es steht nichts im Weg. Die Schwelle ist überwunden und die Tiefe nimmt stetig zu. Bald lässt Andrea den Anker fallen und nach wenigen Augenblicken stehen wir still. Ankerbier sowie verbales Schulterklopfen wird verteilt.

    Andrea geht routinemässig mit Schnorchelausrüstung den Anker checken. Sämtliche Vorschusslorbeeren werden augenblicklich zurückgezogen, der Anker liegt ungünstig und ist nicht eingegraben. Das Manöver wird 2 Schiffslängen voraus wiederholt. Diesmal sind alle zufrieden, Glück gehabt, ich muss das Ankerbier nicht abgeben.

    Auch hier treffen unsere Gastgeber Cruiserfreunde aus aller Welt. Auf dem Ankerfeld tummeln sich Segelschiffe vieler Nationen;  Spanier, Littauer, Amerikaner, Brasilianer, Österreicher, Kanadier… und natürlich das deutsche Boot mit den beiden Schweizern drauf. Sie alle vereint dieser spezielle Lebensstil, wenn auch für uns das Abenteuer sehr kurzfristiger Natur ist.

    Auf zum Schnorcheln, wir bedienen uns wieder des Ingo-Taxis hin zum Riff, welches sich vor der Insel Cambombia befindet. Wenige Sekunden nach dem Eintauchen begrüsst uns ein stattlicher Stachelrochen. Diesmal ist die Kamera mit dabei.

    Ausserdem gibt es grosse Korallenstöcke mit zahlreichen Fischen zu gucken. Ein Schwarm blauer Fische zieht vorbei. Wir tauchen durch Wolken von klitzekleinen Fischchen hindurch.

    Danach landen wir am Strand der Insel an. Das Wasser hat angenehme 30°, als wir uns unter Wasser in den weichen Sand setzen. Ingo wirft uns kühle Dosen Bier zu. So sitzen wir in dieser warmen Natur-Badewanne und giessen uns einen ein. «Liming» nennt sich dieser Volkssport, der oft in karibischen Staaten unter der einheimischen Bevölkerung anzutreffen ist. Dort allerdings unter Zuhilfenahme von Kokain und anschliessenden Bootswettrennen mit Toten. Wir praktizieren bevorzugt die spiessige Variante.

    Es ist Pizzaabend auf der Easy One. Andrea und Ingo geben gemeinsam das Pizzaiolo-Team. Auf dem Grill gelingt die perfekte Symbiose von knusprigem Boden und geschmolzenem Käse – lecker. Es ist unser letzter Abend an Bord. Schweren Herzens stellen wir unser Reisegepäck zusammen, bevor wir zu Bett gehen.

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    Tag 15 – Raus aus dem Paradies

    Um 6 Uhr in der Früh klingeln unsere Wecker. Zeit zum Aufstehen, Ankleiden, Sachen packen. Andrea lädt uns zum letzten Mal zum Müsli-Frühstück ein. Dann machen wir alle zusammen eine letzte Fotosession auf dem Vorschiff und verabschieden uns herzlich, bevor unser Kuna-Taxi da ist.

    Plötzlich zeigen sich zwei Delphine, so als wollten sie ebenfalls zum Abschiedskommitee dazugehören. Also gleich nochmal die Kamera rausgeholt und den grossen Moment eingefangen.

    Die Kuna picken uns an Backbord auf. Gepäck rein und los geht’s. Unterwegs werden noch 3 weitere Pärchen aufgegabelt. Die See ist weniger aufgewühlt als am Sonntag. Dennoch spritzt gelegentlich Gischt herein. Nach etwas über einer Stunde ist die Überfahrt geschafft. Francisco, unser Fahrer von Tag 10, begrüsst uns. Diesmal sind wir zu siebt auf der Fahrt durch den Dschungel. Es ist ein Werktag. Immer wieder müssen wir anhalten wegen Baustellenarbeiten sowie entgegenkommenden Schwerverkehr. Kurz nach 11 Uhr treffen wir in Casco Viejo ein.

    Raùl macht uns freudestrahlend die Tür auf und schafft unsere zweite Reisetasche herbei. Er ist Kuna aus El Porvenir und nickt anerkennend Lydia’s neu erworbenem Schmuck zu. Seine Kinder haben sich sehr über die Schokolade gefreut. Stolz zeigt er uns einen seiner Racker auf seinem Handy beim Fussballspiel. Die Kommunikation ist holprig, aber herzlich.

    Ein Uber bringt uns ins Plaza Paitilla Inn Hotel, einem der zahlreichen Hochhäuser im Finanzdistrikt Panamà’s. Unser Zimmer liegt im 11. Stock und bietet einen hübschen Blick auf die Pazifikbucht. Zwei Stunden später sitzen wir im Wartesaal einer Privatklinik.

    Und das kam so: Im Verlauf der Rückfahrt fing mein linkes Ohr an zu schmerzen. Vermutlich eine Mittelohrentzündung. Ich hatte gelegentliche Schmerzen in den vergangenen Tagen ignoriert, aber bei der Fahrt über die sieben Berge scheint der Druckunterschied seinen Teil dazu beigetragen zu haben. Lydia fand einen HNO-Spezialisten, der seine Praxis im Stadtteil Paitilla hat, englisch spricht und seine Dienste auf Facebook bewirbt. Noch während wir über die Berge rumpelten, schrieben wir ihn bei wechselhaften Internet-Bedingungen per eMail an und baten ihn um einen Termin. Seine Antwort kam ziemlich zügig: «I can see you at 2 p.m.» Venga venga…

    So sitzen wir also frisch geduscht in einem überklimatisierten Wartesaal. Aus 2 p.m. wird halb4, als uns Dr. Lech mit entschuldigenden Worten für die Verspätung empfängt. Nach den üblichen einleitenden Fragen zu meinem ungesunden Lebenswandel greift er zum Werkzeug und attestiert mir die vermutete Mittelohrentzündung, rechts mit bakteriellem Befall als besondere Beilage. Nichts, was nicht medikamentös behandelt werden kann.

    «Wann fliegen Sie?» – «morgen». Dr. Lech verzieht sein Gesicht. Nicht gut, der Druckabfall könnte zum Platzen der Trommelfelle führen. Das ist eigentlich gut, weil dann der Eiter abfliessen kann, aber sehr schmerzhaft. «Plan A: Sie verzichten morgen auf Ihren Flug.» – «Geht leider nicht». Dr. Lech verzieht erneut sein Gesicht. «Plan B. That might sound a little creepy, but you will have a good story to tell afterwards: Ich steche Ihnen mit einer Spritze beide Trommelfelle auf, damit der Druck entweichen kann.» Ich verziehe mein Gesicht.

    Eine Lokalanästhesie und zwei Stiche später überreicht er mir die Medikamentenliste. Ich frage nach der Bezahlung seiner Dienste. «Two seventy-five in cash» – Zwei Dollar 75 Cent? Nein, die 20 Minuten Behandlung kosten tatsächlich 275 amerikanische Kröten, die ich der Empfangsdame in die Hand drücke. Zuzüglich 68 Dollar für die Medikamente in der Farmacia.

    Wir sind froh, als wir wieder in unser Zimmer zurückkehren. Zum Essen gehen ist uns beiden nicht zumute. Lydia fröstelt, weil ihr die Klimaanlage im Wartesaal zugesetzt hatte. Wir legen uns beide hin. Die Verglasung des Zimmers ist nicht isoliert, Lärm vom Strassenverkehr und von den Klimaanlagen-Verdampfern der Zimmer über uns ist omnipräsent. Um halb11 Uhr nachts bestellen wir uns Gemüsesuppe aufs Zimmer, die wir zur Hälfte auslöffeln. Mein Magen ist übersäuert, vermutlich wegen der Medikamente. Erstaunlicherweise fallen wir trotzdem um Mitternacht herum in einen komatösen Schlaf.

    Morgen beginnt für uns ein neues Abenteuer.